Ergebnisse und Folgerungen aus der Gesundheitsbefragung

Wir bedanken uns bei allen Rücksendern, die sich mit der Beantwortung des Gesundheitsfragebogens des Vereins Zukunft Fechenheim viel Mühe gegeben haben. Viele Bemerkungen im Freitextfeld  zeigen uns, dass das Thema den Fechenheimern wichtig ist und machen Mut, das Thema weiter zu verfolgen.

Die Rücklaufquote der Fragebögen zur Gesundheit ist mit knapp 6 % mehr als zufriedenstellend. Üblich bei derartigen Umfragen ist ein Rücklauf von ca. 3 – 4 %. Die Aktiven der Initiative „Gesundes Lebensumfeld“ des Vereins Zukunft Fechenheim haben die Auswertung der eingegangenen Antworten am 26. Januar, also einen Tag nach Abschluss der Rücklauffristen, vorgenommen. Details sind hier zu finden.

Die Ergebnisse erheben nicht den Anspruch, wissenschaftlich valide oder repräsentativ zu sein. Das war bereits bei der Konzeption der Befragung klar. Die Ergebnisse sollen einen Fingerzeig geben auf Themen, die in Fechenheim weiter zu verfolgen sind und dafür die aktuelle Stimmung aufnehmen. Wenn wir den Stadtteil ernsthaft aufwerten wollen – und viele lokale Initiativen bemühen sich ja mit viel Erfolg darum -, dann wird man nicht umhin kommen, Dinge beim Namen zu nennen, die den Menschen auf den Nägeln brennen. Langfristig würde es dem Stadtteil schaden, wenn kritische Themen unter den Teppich gekehrt werden. Einfach nicht über das zu sprechen, was im Argen liegt, hilft nicht weiter! Die Gesundheitsbefragung ist daher als Beitrag zur Förderung unseres Stadtteils Fechenheim als lebenswerter, naturnaher Stadtteil zu verstehen.

Die eingegangenen Antworten lassen eine Häufung von entzündlichen Atemwegserkrankungen und Herzkreislauferkrankungen erkennen, sowohl bei den Antwortenden selber als auch bei ihren Familienangehörigen.

Verursacher kann beispielsweise das gasförmige Umweltgift Stickstoffdioxid sein. Stickoxide entstehen als unerwünschte Nebenprodukte bei Verbrennungsprozessen mit hohen Temperaturen in Wohnungsheizungen, Kraftfahrzeugmotoren und Kraftwerken,  aber auch in der Chemieindustrie sowie bei der Düngemittelherstellung. Stickstoffdioxid greift die Schleimhäute der Atmungsorgane an und begünstigt Atemwegserkrankungen. Es führt zur Beeinträchtigung des Selbstreinigungssystems des Atemtraktes. Akute und chronische Atemwegserkrankungen sind die Folge. Ausserdem verstärkt Stickstoffoxid die Reizwirkung anderer Luftschadstoffe. Stickstoffdioxid ist an manchen Tagen im belasteten Rhein-Main-Gebiet in höherer Konzentration in unserer Atemluft, als dies die Grenzwerte zulassen.

Auch Kreislauferkrankungen belasten die Befragten:

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Ursache kann auch Feinstaub sein. Eingeatmeter Feinstaub führt lt. Bundesumweltamt nicht nur zu entzündlichen Veränderungen im Atemtrakt, sondern auch zu Beeinträchtigung von Herz und Kreislauf. Je kleiner die Staubpartikel sind und je tiefer sie in den Atemtrakt eindringen, desto größer ist das Risiko zu erkranken. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in epidemiologischen Studien festgestellt: Eine Konzentrationsschwelle in der Umgebungsluft, unterhalb derer keine schädigende Wirkung zu erwarten ist, gibt es für Feinstaub nicht. Nicht nur kurzzeitig erhöhte Konzentrationen führen zu gesundheitlich negativen Wirkungen; auch längerfristige, geringere Konzentrationen leisten einen deutlichen Beitrag zur Gesamtwirkung.

Viele der Befragten befürchten, dass ihre Krankheiten nicht zuletzt in einem Zusammenhang mit den vielen Industrieanlagen in der näheren Umgebung stehen. Dieser Gedanke ist insofern naheliegend, als die Auffälligkeiten, wie sich aus Bemerkungen der befragten Bürger ergibt, vielfach erst in der letzten Zeit aufgetreten sind bzw. sich in der letzten Zeit verstärkt haben.

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Ein weiterer Fingerzeig darauf, dass es an der Zeit ist, ein besonderes Augenmerk auf die Lebens- und Arbeitsumwelt in unserem Stadtteil zu richten, sind die Einschätzungen der Teilnehmer an der Gesundheitsbefragung zu dem Punkt, ob ihre gesundheitlichen Beschwerden beim Aufenthalt im Rhein-Main-Gebiet verstärkt auftreten. Verschwinden Krankheitssymptome im Urlaub? Die Mehrzahl der Antworten legt eine besondere Belastung des Rhein-Main-Gebietes nahe:

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Einzelne Bemerkungen im Freitextfeld stützen diese Beobachtung:

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Welche Forderungen lassen sich aus der Gesundheitsbefragung ableiten?

1. Schadstoffmessungen und Einleitung von Maßnahmen

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Wir werden vom Umweltbundesamt schriftlich verlangen, Klarheit über die möglichen Verursacher zu schaffen. Es kann nicht angehen, dass das Umweltbundesamt eine Datensammlung herausgibt, die Transparenz schaffen soll, aber keine Transparenz schafft. Dieser Datei ist sowohl beim Eintrag des Biomassekraftwerks als auch bei Ineos Melamines und bei Allessa nur zu entnehmen „Es wurde keine Freisetzung von Schadstoffen in die Luft angegeben.“ Wir erwarten, dass die von unseren Steuergeldern bezahlten Fachleute sich hier um die Einstellung von Daten kümmern und ihrem Anspruch „Der Name Thru.de steht für Klarheit, Transparenz, Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit.“

Forderungen in diese Richtung sind nicht neu, sie werden schon seit vielen Jahren von Fechenheimer Bürgern erhoben. So wurden bereits 1997 Studien über die vom Chemiebetrieb der Cassella AG verursachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen aus  Anlaß des Chemie-Unfalls, der auf dem Cassella-Gelände stattgefunden hatte, gefordert. In einer Bürgerversammlung gab Cassella seinerzeit zu, dass giftige, krebserregende Stoffe aus einer undichten Rohrleitung ausgetreten waren. Messungen wurden von Cassella selbst vorgenommen und ergaben, dass der Umfang der freigesetzten Giftstoffe nicht gesundheitsgefährdend sei. Diese Messungen wurden im Freien vorgenommen. Möglicherweise gesundheitsgefährdende Giftstoff-Konzentrationen , die sich in Wohngebäuden infolge offener Fenster und Türen ergaben, wurden auf diese Weise nicht erfasst. Wir gehen davon aus, dass Forderungen nach Transparenz und nach Maßnahmen zur Abhilfe Gehör finden und zukünftige Messungen von unabhängiger Stelle durchgeführt werden. Und zwar an den Stellen, an denen wir uns aufhalten – bspw. in Innenräumen. In dem Zusammenhang bietet sich an, den Stoffen nachzuspüren, die nachts – vornehmlich am Wochenende – zu so starker Geruchsbelästigung führen. Anwohner haben folgende Zeiten erheblicher Geruchsbelästigung protokolliert:

Samstag, 12.01. ab 18:30 Uhr 2 ½ Std

Sonntag, 13.01. ab 22:30 Uhr 3 Std

Mittwoch, 16.01. ab 22:30 Uhr, Dauer unbekannt

Samstag, 19.01. ab 21:30 Uhr 2 Std

Sonntag, 20.01. ab 22:30 Uhr 3 Std

Gewonnene Erkenntnisse, so die weitergehende Forderung, müssen Basis für die Erarbeitung von Konzepten zur Einschränkung der Schadstoffbelastungen im Stadtteil Fechenheim sein.

2. Transparentmachung der Auswirkungen von Umweltbelastungen

Wir erwarten, dass das Dezernat für Umwelt und Gesundheit der Stadt Frankfurt, insbesondere das ihm untergeordnete Gesundheitsamt, die Ergebnisse der Elternumfrage zum Thema Kinder, Umwelt und Gesundheit endlich veröffentlicht und entsprechende Maßnahmen ableitet. Die Umfrage wurde im Sommer 2011 – also vor eineinhalb Jahren –  durchgeführt.  Es ist mehr als bedauerlich, dass die Eltern aus dem Stadtteil Fechenheim bei dieser Aktion nicht befragt wurden, welche Umweltprobleme aus ihrer Sicht ihre Kinder belasten. Vielleicht lässt sich auch das nachholen und zeitnah auswerten. Wir werden unsere Erwartung schriftlich an das Dezernat für Umwelt und Gesundheit richten.

Unsere Gesundheitsumfrage erhebt, wie schon eingangs erwähnt, nicht den Anspruch auf wissenschaftliche Belastbarkeit. Sie kann nur Hinweise geben. Es wäre aber wünschenswert, wenn von öffentlicher Seite Untersuchungen durchgeführt würden, die die Anforderungen an wissenschaftliche Belastbarkeit erfüllen. Hier könnten beispielsweise Umweltmediziner der Stadt Frankfurt interdisziplinär mit den Fachleuten des Hessischen Krebsregisters  zusammenarbeiten. Auch Spezialisten des Regierungspräsidiums, das ja die Genehmigungsbehörde für viele Sondererlaubnisse von produzierenden Unternehmen ist, sollten einbezogen werden und ihre Kenntnisse über Emissionsquellen einbringen. Über die Ergebnisse solcher Untersuchungen erwarten wir, informiert zu werden und – vor allem – dass Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden.

Von den von den Bürgern gewählten Gremien, bspw. dem Ortsbeirat 11, sowie von den Fraktionen der verschiedenen Parteien im Römer erwarten wir, dass die Fingerzeige unserer Gesundheitsbefragung zur Kenntnis genommen werden und dass unsere daraus abgeleiteten Forderungen unterstützt werden. Das Thema Umwelt und Gesundheit liegt den Bürgern am Herzen!

Wohl alle Fechenheimer Bürger sehen es gern und freuen sich, wenn die zahlreichen liebenswerten Eigenschaften ihres naturnahen Stadtteils angemessen gewürdigt werden. Wir sind überzeugt: Fechenheim ist fantastisch!

Es dürfte aber dem Stadtteil eher schaden als nützen, wenn Fakten über die Umweltsituation unter den Teppich gekehrt werden. Das Image des Stadtteils könnte sich wieder verschlechtern und die Negativspirale der Vergangenheit wieder aktiviert werden. Das kann beispielsweise dazu führen, dass sich neu hinzugezogene Bürger getäuscht fühlen. Schlimmstenfalls kann es dazu kommen, dass Maßnahmen zur dringend notwendigen Einschränkung der Schadstoffbelastung allein deshalb nicht vorgenommen werden, weil unklare Vorstellungen über das wahre Ausmaß der Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen im Stadtteil Fechenheim bestehen und unbedingt erforderliche Maßnahmen zur Reduzierung der Gefahren für Mensch und Umwelt ausbleiben.

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Fechenheimer Anzeiger 31.1.2013

Frankfurter Neue Presse 06.02.2013: Wissenschaftliche Untersuchung gefordert

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